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Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V. Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V. Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V.

Chemie-Geschichte

Bakelit
Als "Dr. B." zu Max Weger Vertrauen fasste

MOZ-Serie zur Geschichte des ersten industriell gefertigten Kunststoffs in Erkner / Teil IV

Die Stadt Erkner ist die Wiege des ersten indus­triell gefertigten Kunst­stoffs, der dort erstmals 1909 hergestellt wurde. Aus diesem Anlass wird Ende November in Erkner die­ses 100. Geburtstages gedacht, zum Bei­spiel mit einer Ausstel­lung und Vorträgen. Mitglieder des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner bringen den MOZ-Lesern die spannende Ent­wick­lungsgeschichte des Kunststoffs näher. Heute Teil IV:

Eigentlich war Chefchemiker Dr. Max Weger drauf und dran Erkner den Rücken zu kehren, als sich 1909 nicht nur für ihn die Welt verän­derte. Das hiesige Forschungslabor der Rütgerswerke war gerade bis auf ihn und zwei Laboranten aus Profitgrün­den abgebaut wor­den. Die Kauf­leute hatten nach Rütgers Tod (1903) das Sagen.
Weger – 1869 in Leipzig ge­boren und aufgewachsen – war 1901 mit seiner Familie nach Erkner gekommen. Er stammte aus kleinbürger­li­chen Verhältnis­sen. Seine Mutter führte ein Ge­schäft. Sein Vater hatte Chemie studiert und war Geschäftsführer im Stahl- und Kup­ferdruck-Ate­lier seines Bruders. Sicher hatte Max dort schon früh mit Chemi­kalien Berührung.
Auch am Realgymnasium spielten die Naturwissenschaf­ten eine große Rolle, sodass ein Chemie-Studium naheliegend war. 1893 promovierte er und ar­beitete dann im Labor der Che­mischen Fabrik Dr. Wilhelmi in Leipzig an Trockenstoffen für die Lackindustrie. Mit vielen Arti­keln wur­de er in Fachkreisen schnell bekannt.
Weger war also auf der Suche nach neuen Herausforderungen, als er Ende März 1909 auf Baekelands Artikel in der Chemiker-Zeitung stieß. Sicher platzierte dieser seine Artikel ganz gezielt in Deutschland, denn er wusste um die Qualität der hiesigen che­mischen Industrie und Forschung. Er war auf der Suche nach Fir­men, die seine Patente verwer­ten konnten, um sich wieder sei­ner Forschung zu widmen. In den USA war ihm das bisher nicht gelungen.
In Baekelands Visionen sah Weger neue Chancen, blieb aber vorsich­tig. Er empfahl seinem Chef Segall die genaue Prüfung der Patente. Man nutzte die Ge­legenheit eines Chemie-Kongresses in London. an dem Baekeland teilnahm. Ende Juni 1909 kam er nach Erkner, um mit Weger die Möglichkeiten und Produktion von Bakelit zu testen: „Es steht mir noch deutlich in Erinnerung, wie wir die erste grössere Men­ge Bakelit, zuletzt in einer offenen Kupferschale ... erzeugten, bei ei­nem Formaldehyd-Gestank, der es nur gestattete, ab und zu den Raum zu betreten“, so Weger spä­ter an Baekeland. In den nächsten Monaten wurde in Wegers Labor und einem alten Rütgers-Schup­pen die Bakelit-Herstellung in industrielle Dimensionen über­führt. Daneben brauchte er auch viel Zeit für die Suche nach Kun­den. Zunächst waren das nur Her­steller von Knöpfen, Ketten und Schirmgriffen. Erst im Ok­tober erreichte er im Siemens Kabel­werk Charlottenburg erste Tests als Isoliermaterial.
Es ging langsam voran. Auch in den USA, wie Weger Ende April 1910 seinem Chef nach einem zweimonatigen Arbeitsbesuch mitteilte: „Eine große Produktion existiert in Amerika noch nicht. Dr. B. macht noch alles Bake­lit in seinem Gartenhaus in Yon­kers mit zwei Chemi­kern und sei­nem Chauffeur.“ Aber „Dr. B.“ hatte zu Weger Vertrauen gefasst. Er gab seine Patente in dessen Hände. Am 25. Mai 1910 grün­deten Baekeland und Rütgers die „Bakelite GmbH“ in Erkner mit den Patentrechten für Europa. Diese erste Bakelite-Fabrik der Welt wurde damit zur „Wiege des Kunststoffzeitalters“!
Erst 1913 wurde der erste Ge­winn mit 192 t Bakelit erzielt, so dass der Bau eines eigenen Wer­kes in der Flakenstraße gewagt wurde. Der Krieg behinderte dies zwar, aber der Siegeszug des Ba­kelits war nicht mehr aufzuhalten. Weger leitete die Firma als tech­nischer Direk­tor bis zu seinem Ruhestand Ende 1936, blieb ihr aber eng verbunden und vertrat nach Kriegsbeginn sogar seinen eingezogenen Nachfolger.
Wenige Monate nach Baeke­land starb Max Weger am 19. November 1944 in Berlin-Hes­senwinkel, wo er seit zirka 1931 wohnte. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Erkner.

Frank Retzlaff
FCME, Erkner


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Erkner - Wiege des Kunststoff-Zeitalters
Erkner - hier begann
vor 100 Jahren das Kunststoff-Zeitalter

Faksimile des Artikels in der MOZ
Faksimile dieses Artikels in der MOZ


 

Max Weger (1869-1944)
Max Weger
(1869-1944)


 

In diesem Schuppen auf dem Rütgers-Gelände in Erkner wurde ab 1909 Bakelit produziert.
In diesem Schuppen auf dem Rütgersgelän­de in Erkner wurde ab 1909 Bakelit produziert.


 

Bakelite GmbH Erkner Werk I, Flakenstraße, Baubeginn 1913/14
Bakelite GmbH Erkner Werk I, Flakenstraße, Baubeginn 1913/14


 

 

Veröffentlicht in der Märkischen Oderzeitung am 29.10.2009.

 
 

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Diese Seite wurde erstellt am 22.12.2009